Nationalhymnen
von Reinhard Bill Bergelt 6/1998. Nach: "Über
alles in der Welt" von Theo Stemmler, DIE ZEIT Nr.40/1993.
(weitere
Informationen hierzu)
Herkunft
Mit der Entwicklung der modernen Nationalstaaten seit dem Ende des 18.
Jh. (ca.1790) erwachte das Bedürfnis nach staatlichen Symbolen. Flaggen
und Wappen sollten den Staat optisch, Hymnen sollten ihn klanglich repräsentieren
(=würdig vertreten). Bisher gibt es ca. 200 Nationalhymnen, die in
ihrem Charakter zum Teil sehr unterschiedlich sind: Es finden sich Märsche,
feierliche Festgesänge (=Hymnen), volkstümliche Lieder und opernhafte
Kompositionen.
Gemeinsamkeiten
Durch ihre Verwandtschaft mit der Militärmusik beginnt fast jede dritte
Nationalhymne mit einer Quarte (=Viertonabstand) - dem Signalabstand schlechthin
(=Martinshorn, viele militärische Fanfarensignale - aber auch der
Tusch beim Karneval).
Merkwürdige
Entstehungsgeschichten von Hymnen
Die Nationalhymne Costa Ricas entstand unter großem Zeitdruck: Drei
Tage vor dem Empfang eines Diplomaten gab es noch keine. Ein junger Komponist
wurde beauftragt und - um seine Konzentration zu stärken - in Haft
genommen. (Glücklicherweise konnte er sie rechtzeitig fertigstellen).
Gewissermaßen durch seine Braut "in Haft genommen" wurde der Textdichter
der mexikanischen Nationalhymne. Sie drängte ihn zu einem Dichterwettbewerb
mit dem Versprechen "Hochzeit gegen Hymne". Wie einige andere Nationalhymnen
auch - ist dieser Text durch kriegerische Sprache gekennzeichnet: "Krieg
ohne Pardon" und "Ströme von Blut" werden da beschworen.
Kriegerische
Sprache in Hymnen
Bei den Kubanern heißt es: "Fürs Vaterland zu sterben heißt
leben". Auf Haiti singt man: "Sterben ist schön/für die Fahne/für
das Vaterland". In der italienischen Nationalhymne wird vom österreichischen
Adler (=der für das Land Österreich stehen soll) gesagt, er habe
"das Blut Italiens und das polnische" in Kumpanei "mit den Kosaken" getrunken.
(Das Lied entstand im italienischen Freiheitskampf im 19. Jh.) Die Franzosen
vergießen in der Marseillaise (sprich: marsejäs) das "unreine
Blut" der Feinde. Es wird "die Ackerfurchen tränken". Auch in Vietnam
bauen die Soldaten "den Weg unseres Ruhmes auf den Leichen unserer Feinde".
Idyllische
Hymnen
In Chile singt man dagegen vom "blauen Himmel..., reinen Lüften...
und blumengesäumten Feld." In Bangladesch singt man:
Mein Bengal aus Gold - |
ich liebe dich. |
Dein Himmel, deine Luft |
lassen mein Herz klingen |
wie eine Flöte. |
Im Frühjahr, o Mutter, |
erfüllt mich der Duft deiner Mangowälder |
mit wilder Freude... |
Im Herbst, o Mutter, |
auf blühendem Reisfeld sah ich dein Lächeln. |
Wiederholungen
In der ersten Strophe der deutschen Hymne heißt es viermal "Deutschland"
und viermal "über alles". In der zweiten Strophe heißt es dann
achtmal "deutsch"! Die heute allein gesungene dritte Strophe enthält
nicht zufällig "deutsch" nur zweimal - kriegslüstern oder gar
blutrünstig ist das ganze Lied im Übrigen nicht. Weniger friedlich
lautet dagegen der Text der chinesischen Hymne, (der ursprünglich
als "Marsch der Freiwilligen" gegen die japanischen Invasoren aufrütteln
sollte). Zwei Gruppen anfeuernder Parolen werden mehrfach wiederholt:
Steht auf! Steht auf! Steht auf! |
Millionen, doch im Herzen eins, |
trotzen feindlichem Feuer. |
Vorwärts! |
Trotzen feindlichem Feuer. |
Vorwärts! Vorwärts! Vorwärts!
Voran! |
Auch schlicht und friedlich können Nationalhymnen sein - wie beispielsweise
die japanische. Sie ist die älteste aller Nationalhymnen (10.
Jh.) und damit eine der wenigen Ausnahmen, die nicht durch westeuropäische
Musik beeinflußt ist. (Viele Hymnenkomponisten haben bei europäischer
Kunstmusik und westeuropäischen Liedern "abgekupfert". Israel
"versetzt" einen an die Moldau von Smetana, Nigeria hat Anleihen
bei "Das Wandern ist des Müllers Lust" und bei "Ein Männlein
steht im Walde" gemacht, auf Trinidad und Tobago trifft man
"Lili Marleen".)
Die japanische Nationalhymne besteht aus nur einem einzigen Bild,
Satz und Atemzug:
Gebieter, Eure Herrschaft soll dauern |
eintausend Jahre, achttausend Jahre |
bis der Stein |
zum Felsen wird und |
Moos seine Seiten bedeckt. |
Arbeitsaufträge und Lernkontrolle:
1) Zunächst die Quarte besprechen (=Martinshorn/Tusch
vorspielen), dann Stabspiele mit beispielsweise den Tönen "c-f-g-a-"
ausgeben und eine "Hymne" im Marschrhythmus erfinden lassen.
Zusatz: Welche "Entstehungsstories" von
Hymnen kennt ihr?
2) Denkfrage: Warum wohl sind die Beispiele
"Ein Männlein steht im Walde", "Das Wandern ist des Müllers Lust",
und "Lili Marleen" in das Arbeitsblatt mit aufgenommen worden? (afrikanischer
Staat + deutsches Volkslied!?)
3) Seit wann haben Nationen begonnen, sich
Hymnen zuzulegen?
(Japanische Ausnahme!)
4) Zu welchem Zweck haben sich die Nationen
Hymnen zugelegt ?
(Und warum erst im letzten Jahrhundert?)
5) Welche Nationen haben "aggressive" Hymnentexte?
(Kuba, Italien, Frankreich, Vietnam)
6) Wie steht hier im Vergleich die heutige
deutsche Hymne da?
Wie ist es mit den Wiederholungen? (China:
"Steh auf!")
7) Welche Nationen haben ausgesprochen
friedliche Hymnen? (=Chile, Japan)
Weitere Links zum Thema
Ausführliche Materialien
zum "Lied der Deutschen" -(aus der Sicht eines Burschenschafters)- enthält
folgender Link von Jürgen Karl, Mannheim: http://www.uni-karlsruhe.de/~za1326/karl/hymne.html
Auf folgender Website können
Sie sich ein Midi-File des Deutschlandliedes herunterladen:
http://home.t-online.de/home/Harald_Borst/
Weitere Midi-Files von Nationalhymnen
finden Sie unter "Seasonal..." auf: http://wjimages.com/tunes.htm
Die umfangreichste
Midisammlung von Nationalhymnen (-die mir bekannt ist-) enthält
folgender Link:
(Zur Homepage von R.B. Bergelt)