<The
Creek von Jan Garbarek. Anregungen für den Unterricht
Is' das nu' Kitsch?
Es gibt nicht viele Musiker,
die man am einzelnen Ton bzw. Klang erkennt. Bei Janis Joplin ist es das
"screaming", ein einziger Kiekser reicht um Michael Jackson zu identifizieren.
Auch Prince, sein Partner im Falsett, ist am unvergleichlichen "Fistel"
auszumachen. Vom Singen abgesehen ist es auf Instrumenten vergleichsweise
schwerer, "unverwechselbar" zu werden. Hier sind es ebenfalls "Eigenheiten",
an denen man beispielsweise Pablo Casals oder Keith Jarrett erkennt, indem
sie ihr Spiel mit der Stimme "begleiten". Miles Davis wurde auf seinem
letzten großen Livekonzert mit ehemaligen, mittlerweile aber zu Weltruhm
gekommenen Zöglingen ironisiert: Herbie Hancock setzte für den
musikalischen Dialog mit dem Meister dessen unverwechselbaren Sound ein,
den er nämlich auf einem portable Keyboard gesampelt zur Verfügung
hatte. Mittlerweile gibt es zahlreiche Filmmusiken, die den zur Chiffre
gewordenen Miles-Sound einsetzen - von Epigonen geblasen.
Welche Eigenheiten
oder Marotten aber machen Jan Garbarek zu dem "das ist doch..."? Kaum jemand
bläst das Saxophon so wie er. Abgesehen von deren Unterlegung mit
sattem Hall aber ist es schwierig, spezielle Merkmale seiner Klangsprache
festzumachen. Bei ihm ist's der Ton, der selbst schon Sprache ist, diese
Musik spricht nicht von Heiter- oder Leichtigkeit - eher von schwermütiger
Stille, strebt keinem Ziel zu, sondern schwebt wie ein Ballon am Abendhimmel.
Michael Naura berichtet von Peter Rühmkorfs Frage*: "Is' das nu' Kitsch
auf höchstem Niveau, oder was?" die er mit "Meister, vielleicht kein
Jazz, aber ganz schöne Musik" beantwortete.
Schließlich
stoppt Jan Garbarek - Naura zufolge - mit seiner dem indischen Raga verwandten
Musik das Geschwätz und richtet eine Art Stille der Seele aus. Wenn
wir im Unterricht für einige Augenblicke solch einen Zustand erreichen,
dann ist es eine Menge.
Aktueller Jazz im Unterricht
Rühmkorfs Kitschproblem
ist nicht das unsere. Wer versucht hat im Musikunterricht aktuellen Jazz
zu behandeln, meinetwegen mit Aufnahmen von Kenny Garrett, der weiß,
was ich meine. Die anschließende Frage, wer am Besuch eines Jazzkonzerts
denn Interesse hätte, wird einem die Infragestellung der Zurechnungsfähigkeit
eintragen... Anders ist es mit dem Ohrwurm <The Creek (zu deutsch wohl:
<Die Bucht) - nicht, dass die Schüler spontan Begeisterung zeigen,
doch sie lassen sich darauf ein, einige finden die Musik sogar "ganz schön".
Spätestens wenn sie auf Stabspielen das Thema zum Original mitgespielt
haben, hört man es dann auf dem Gang gepfiffen. Aber nicht nur als
Mitspielsatz, sondern als Spielsatz für die ganze Klasse eignet sich
das Stück, da die Bass- bzw. Keyboardstimme und der A-Teil der Melodiestimme
einfach sind. So ist es auch mit der Bongo- und Rasselstimme. Nur der B-Teil
der Melodiestimme und die Drums (Bassdrum und Snare) stellen größere
Ansprüche an die Spieler.
Ausgeprägter Personalstil
Im Unterricht ließe
sich zunächst von der "Erkennbarkeit" von Musikern ausgehen - woran
erkennt man Janis Joplin, Michael Jackson oder Prince? Was macht den Sound
von Miles Davis aus? Solche Beispiele sollen zum Erkennen führen,
dass es herausragende Musiker mit ausgeprägtem Personalstil gibt,
zu denen auch Jan Garbarek gehört.
Die Suche nach Merkmalen
schult gleichermaßen mehrere Fähigkeiten.
Dabei sollte auch
soweit wie möglich der Unterschied zwischen "Marotte" und Personalstil
herausgearbeitet werden.
Stil und Ausdruck
des Stückes lassen sich ebenfalls thematisieren (evtl. unter Zuhilfenahme
einer Adjektivliste oder eines Adjektivzirkels).
Nicht zuletzt gehört
auch der "Jazzanteil" des Stückes besprochen, etwa die kurzen Improvisationen
des Saxophons, die Tom-Fillins. Auch der swingende Groove des Stücks:
die quasiauftaktigen Schläge der Bassdrum auf den leichten Zählzeiten
2 und 4, die Snare mit ihrer vorgezogenen 3. Dennoch ist gerade auch hier
ein Unterschied zum "traditionellen Jazz" auszumachen: es swingt nicht
ternär, sondern binär (bzw. quartweise). Die Schläge sind
nicht in Triolen, sondern in Quartolen unterteilt. Um dies zu verdeutlichen,
sollte der Lehrer (oder ein guter Instrumentalist) das Thema einmal in
ternärer Spielweise präsentieren (siehe unten).
Online-Materialien
Spiel- und Mitspielsatz zum Thema (mit
vereinfachter Rhythmusgruppe)
Links
Wenn Sie sich die CD
noch nicht besorgen konnten, tut's solange der erste Themendurchgang als
mp3-File.
(Informationen und Links zu mp3 erhalten
Sie unter "Tipps & Links for Musicteachers/Tipp 6" auf meiner Website
- siehe unten)
hier können Sie sich Informationen (vom Ausnahmelabel ECM) über
die CD beschaffen und sie ggf. bestellen, außerdem
bietet ECM auf dieser Site Soundfiles zu "The
Creek" an, allerdings in geringerer Qualität bzw. mit längeren
Downloadzeiten
zum angesprochenen "Wiedererkennungswert" von Garbarek - seinem speziellen
Sound/Ton in Deutsch und
in Englisch,
eine Kurzbesprechung zur CD "Visible World" in Englisch,
zur stilistischen Einordnung von Garbarek: «Ich spiele keinen Jazz
mehr... » von Richard Butz
eine Garbarek/ECM-Diskographie bietet dieser Link
ein für den Unterricht geeignetes Kurzporträt von Jan Garbarek
seine Biographie von ECM (in Engl.).
Zur Homepage von R.B. Bergelt
* Verwendeter Text: "Ohne Anfang, ohne Ende",
Michael Naura. Die Zeit, Nr. 42/1998